Dichtung und Wahrheit
Was Sie schon immer über Mozart wissen wollten
Mit Mozarts Hund Gaukerl vom ersten bis zum letzten Auftritt in Wien
von Elisabeth-Joe Harriet
erschienen 2006 / 3. Auflage 2021 | Hardcover, 140 Seiten
€ 16,50 | ISBN 978-3-9502031-4-1
Warum denn noch ein Mozart-Buch, bitte?
Eine sehr berechtigte Frage in diesem strapazierten Mozart-Jahr, die ich mir auch gestellt habe. Das heißt, zuerst einmal stellte ich mir die Frage, ob ich denn überhaupt einen eigenen Literarischen Pfad zum Thema Mozart anbieten sollte. Also besuchte ich einige der angebotenen Informationsveranstaltungen bzw. Spaziergängen und musste feststellen, dass diese fast durchgehend nur recht selektive Ausschnitte aus dem Leben brachten und vor allem meist sehr lieblos und oberflächlich durchgeführt wurden.
So wagte ich mich denn an die letzten zehn Jahre des Wolfgang Amadé in der Wienerstadt heran und fand im Zuge meines Quellenstudiums hervorragende und spannende Texte als auch Einsichten. Und das Erstaunen, die Begeisterung und die Nachfrage der Besucher des Literarischen Pfades „Wolfgang Amadé“ veranlassten mich nun eben auch parallel dazu ein Buch heraus zu geben.
Mozart und sein Vater Leopold haben so viele Briefe und persönliche Anmerkungen hinterlassen, dass wir ihm auf diesem Pfad von seinem ersten bis zu seinem letzten Auftritt in Wien sehr authentisch folgen können und so mancher Irrtum über diesen großen Musiker und Komponisten ausgeräumt werden kann. Des weiteren stütze ich mich auf die 1798 erschienene einzige Biographie eines Augenzeugen, nämlich Franz Xaver Niemetschek aus Prag, Friedrich von Schlichtegroll, den Autor des Mozart Nekrologes 1791, dem ein biographischer Aufsatz Nannerls zugrunde liegt, die Tagebücher von Maria Anna Mozart selbst und auf Aussagen diverser Zeitgenossen Mozarts.
Sie werden auf dieser Route auch Orte kennen lernen, die, wie mir von den bisherigen Besuchern versichert wurde, selbst den meisten Wienern unbekannt sind. Vor allem aber bewegen Sie sich fast ausschließlich durch Gassen und Straßen, Durchhäuser, Hinterhöfe und über Plätze, die heute noch ganz oder fast so aussehen wie zu Mozarts Zeiten.
Wir beginnen den literarischen Pfad zwar beim ersten Auftritt, aber dann ist die Chronologie im Sinne Ihrer Gehwerkzeuge nicht mehr aufrecht zu erhalten. Hinsichtlich dessen bitte ich Sie daher um geistige Flexibilität.
Genießen Sie Mozart wie er leibte und lebte!
Rezension
Immer durch dieselben Straßen, immer durch dieselben Parkanlagen und Gärten zu spazieren verliert langsam seinen Reiz. Gegen die coronabedingte Spaziermüdigkeit hilft dieses Büchlein, das zu Mozarts Wirkungsstätten führt. In die Tasche stecken und los geht`s in schmale Gassen in der Innenstadt, in Hinterhöfe, auch zu wenig bekannten Plätzen in der Vorstadt.
Die Autorin kennt „ihren Mozart“! Sie führt die Leser zu den Orten, die Mozart in den letzten zehn Jahren in Wien frequentierte. Als Mozartguide fungiert der Hund „Gaukerl“. Humorvoll kommentiert er aus Hundesicht das Geschehen. Diese gelungene Mischung aus Information und Humor ist ja Harriets Stärke. Wer sie zum Beispiel von ihren Auftritten als Arthur Schnitzlers Witwe kennt, weiß das zu schätzen. In diesem Buch erfährt man nicht nur viel über Mozart, sondern auch so manches Wissenswertes aus der Wiener Gesellschaft. Etwa wie Johann Edler von Trattner zu seinem immensen Reichtum kam: Er hatte das Privileg, Schulbücher für alle Schulen in der Monarchie zu verlegen. Außerdem verdiente er sich mit Raubkopien eine goldene Nase. Und er legte das gewonnene Geld klug in Grundstücke und Immobilien an. Bedenkenlos ließ er alte Häuser abreißen und baute den heutigen Trattnerhof , wo er unter anderem ein florierendes Casino einrichtete. Die Story erinnert an so manche Immobiliengrößen von heute.
Nicht uninteressant sind die regelmäßigen Besuche Mozarts in der Freimaurerloge „Zur wahren Eintracht“, wo sich besonders viele Künstler versammelten. Ein Logenbruder war auch Angelo Soliman. Als prominenter Schwarzer, damals Mohr genannt, erlangte er durch seinen Tod traurige Berühmtheit: Kaiser Franz II. ließ ihn von dem Bildhauer Franz Thaler abhäuten und ausstopfen. Bis 1848 konnte man ihn in der Naturalien-Sammlung des Kaisers mitten unter Wasserschweinen und seltenen Vögeln bewundern.
Lebendig und pointiert lässt Elisabeth – Joe Harriet das Leben Mozarts inmitten der Wiener Gesellschaft, von reichlichem Bildmaterial begleitet, entstehen. Der schmale Band sticht angenehm aus den oft schwer lesbaren, allzu wissenschaftlichen Büchern über Mozart heraus. Eine gute Medizin gegen Coronaüberdruss! Die Autorin wird – sobald es coronabedingt möglich ist – zu Mozarts Stätten führen .
Dieser Doppelnutzen macht das Buch besonders attraktiv: Einerseits erlebt man die zehn letzten Lebensjahre Mozarts direkt vor Ort nach, andrerseits sind solche Apercus über die Wiener Gesellschaft auch nicht uninteressant.
Also den Frust über die ewig gleichen Spazierwege vergessen und auf Mozarts Spuren mit dem Buch in der Hand losziehen.
Silvia Matras