Die Seewiese

Die SeewieseEin Märchen aus Altaussee von Hermann Maerheim

erschienen 2005, 80 Seiten

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ISBN 978-3-9502031-1-7

dzt. vergriffen

 

Als Urenkel des Verfassers dieses Märchens und Träger des gleichen Namens freut es mich, ein paar Worte dieser Neuauflage voranstellen zu dürfen.

Auf meinem Schreibtisch steht neben einem wunderschönen Photo von der Seewiese (mit Blick auf den Dachstein) ein Bild meines Urgroßvaters, jenes erfolgreichen Diplomaten im Dienste des Kaisers, der so gerne gedichtet, seine Gedanken verdichtet und zu Papier gebracht und das Ausseerland so sehr geliebt hat.
„Die Seewiese – ein Märchen aus dem Ausseerland“ war und ist Ausdruck dieser Zuneigung!

Kinder und Erwachsene lieben Märchen.
Sie spiegeln unsere Sehnsucht nach Schönheit, Liebe und Gerechtigkeit wider.
Märchen sind ein Spiegel unserer Gesellschaft – zeitlos so wie sich die Natur im klaren See spiegelt.
Sie verbinden Träumerei mit der harten Wirklichkeit – Realitäten verschwimmen mit mystisch unwirklichen Geheimnissen.
Wir heute, über hundert Jahre nach dem Entstehen dieses Märchens, brauchen die märchenhafte Berührung mit der Natur, dem Leben und dem Tod!

Ich wünsche allen Lesern der Verse meines Urgroßvaters in diesem Sinne viel Muße und Zeit, sich ein wenig verführen zu lassen – und den tieferen Sinn zu spüren.

Ich darf an dieser Stelle meiner lieben Verwandten Elisabeth-Joe Harriet für ihre Freude und ihren Einsatz an der Neuauflage der „Seewiese“ ganz herzlich danken.

Hermann Mitscha-Märheim
Ebendorf, im Sommer 2005

EINLEITUNG

Rings von Felsen eingeschlossen liegt vor uns der dunkle Bergsee,
linker Hand des Loser’s Masse, rechts der Fuß der wald’gen Tressen,
weiterhin die schwindelnd jähe Trisselwand, und in der Ferne
vielgestalt’ge Felsengipfel spiegeln ihre mächt’gen Formen
in den schwärzlich grünen Fluten. Unergründlich scheint das Wasser
wie ein dunkles Menschenauge. Ruhig, meist nur sanft gekräuselt
liegt der See, doch furchtbar schäumen, peitscht der Wind sie, seine Wogen.
Hoch, den Kamm mit Schaum bedecket, wälzen sie sich an die Ufer,
als ob sie in wildem Ansturm den gewalt’gen Felsengürtel,
der sie rings umschließt, zersprengen und durch der Gebirge Trümmer
in die Weite brausen wollten, schrankenlos und unaufhaltsam. –
Jenseits an des Sees Ende liegt ein breiter Uferstreifen,
der sich zwischen Felsenwänden und dem Wasserspiegel hinzieht,
Seewies‘ ist es dort geheißen. Aber keine grüne Matte
glänzt dort und kein saft’ger Rasen deckt den Boden, rings erheben
sich gewaltig große Blöcke halb verwitterten Gesteines,
von Wacholdern und von Heidkraut sind sie üppig überwachsen,
zwischen ihnen, am Gesteine mit den Wurzeln festgeklammert,
stehen sturmzersauste Fichten, deren lange moos’ge Bärte
auf ein hohes Alter deuten, andre mächt’gen Stämme aber
liegen wie gefall’ne Riesen umgestürzt in Strauch und Staude.
Wild ist dieses Ortes Ausseh’n, und man munkelt, nicht geheuer
sei es dort in manchen Nächten. – Doch es war ein schöner Abend
und ich saß auf moos’gem Steine auf der Seewies‘ Uferrande.
Strahlend sank hinab die Sonne, rosig leuchteten die Felsen,
purpurn schier die Wasserfläche, und fern von des Dachsteins Zinnen
schien ein goldig feiner Duft sich durch den Äther zu ergießen.
Allmählich ward’s im Tale dunkler, aus dem See stieg leichter Nebel,
finster lag des Waldes Masse, nur der Berge höchste Spitzen
leuchteten noch purpurfarben. Blass im Osten stieg der Mond auf,
und sein erster Glanz schien droben mit dem letzten Schein der Sonne
sanft verfließend sich zu mischen.
Lange blickt ich in die Landschaft, in das Dunkle auf der Erde
und das Licht auf allen Höhen, und ich wünschte mir zwei Flügel,
um vom Dunkel mich erhebend, in den Luftraum aufgeschwungen,
mich im Ätherglanz zu baden. Eine Stimmung war’s, wie manchmal,
selten leider, uns beschieden: alle Sinne sind geschärfet,
und wir glauben tief im Herzen auch den Pulsschlag zu verspüren,
der rings die Natur belebet, wir verstehen all die hundert
Stimmen, denen wir sonst taub sind. – Also jeden Sinn geöffnet
dem geheimnisvollen Leben, das mit seinen ew’gen Kräften
in den Elementen waltet, saß ich still, halb wach, halb träumend;
Nacht ward’s, tausend Sterne zogen glänzend auf am Firmamente
von dem Mond noch überstrahlet. Stille rings – am Strande leise
murmelten die kleinen Wellen, und es klang mir so verständlich
dass ich lauschte ihrem Rauschen, und so hörte ich ganz deutlich,
was sie plaudernd mir erzählten. Rings um mich begann’s zu tönen,
und es hauchten sich die Blumen, und es rieselten die Quellen,
und es flüsterten die Bäume, und es klang in den Gesteinen
eine längst verscholl’ne Märe. Und, was ich in jener seltsam
wundersamen Nacht vernommen, will ich melden. –

Und nach dieser Einleitung können Sie in 10 Kapiteln ein spannendes Märchen über den Wassernix Kuno, der sich in ein Erdenmädchen verliebt, lesen.